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Prozesskostenhilfe bei Ausländern

Aktualisiert: 7. März 2020


Prozesskostenhilfe Anwalt

Einem Prozesskostenhilfeantrag steht grundsätzlich nicht entgegen, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz im Ausland hat, weil § 114 ZPO die Bewilligung der PKH nach allgemeiner Ansicht nicht an einen inländischen Wohnsitz des Antragstellers knüpft.


Anspruchsgrundlage der grenzüberschreitenden Prozesskostenhilfe in Zivil- und Handelssachen (nicht Strafsachen) innerhalb der Europäischen Union sind die §§ 1076 - 1078 ZPO bzw. die EU RichtlinieRL 2003/8.


Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden:


- Es wird von einem Inländer Prozesskostenhilfe zur Führung eines Prozesses im EU-Ausland beantragt (ausgehende Ersuchen). Zuständig ist gemäß § 1077 ZPO das Amtsgericht, in dem der Antragsteller seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.


- Es wird von einem in einem EU-Mitgliedsstaat lebenden ausländischen Antragsteller Prozesskostenhilfe zur Führung eines inländischen Prozesses beantragt (eingehende Ersuchen). Zuständig ist gemäß § 1078 ZPO das Prozess- oder Vollstreckungsgericht. Bei der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind die Lebenshaltungskosten des jeweiligen EU-Mitgliedsstaates, in dem der Antragsteller lebt, zu berücksichtigen.


Bei einem Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht mit einem Antragsteller mit Wohnsitz im Ausland, richtet sich das Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach den §§ 1076 ff. ZPO. Da die Gerichtssprache gemäß§ 184 GVG die deutsche Sprache ist, sind auch die entsprechenden Nachweise (PKH- Anlagen) mit deutscher Übersetzung einzureichen, sofern sie in einer Fremdsprache verfasst sind. Daher ist vorgesehen, dass der Antrag bei dem Gericht am (ausländischen) Wohnsitz zu stellen ist und nach Übersetzung an das deutsche Prozessgericht weitergeleitet wird. Der Bundesgerichtshof hat jedoch kürzlich entschieden, dass ein Antrag auch unmittelbar beim (deutschen) Prozessgericht gestellt werden kann und das Übersetzungserfordernis nach § 1078 Abs. 1 ZPO EU-rechtskonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, dem (deutschen) Gericht auf eigene Kosten Übersetzungen der von ihm eingereichten fremdsprachigen Prozesskostenhilfeunterlagen, insbesondere der Anlagen des Prozesskostenhilfeantrags, vorzulegen (vgl. BGH - Beschluss vom 03.07.2018 – VIII ZR 229/17). Das (deutsche) Prozessgericht hat die erforderlichen Übersetzungen hiernach somit von Amts wegen vorzunehmen. Dabei sind auch die Kosten notwendiger Übersetzungen bei Wohnsitz im europäischen Ausland von der Prozesskostenhilfe umfasst (vl. EuGH urteil vom 26. Juli 2017 – C – 670/15; Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 17.10.2017, 10 AZB 22/15).


Weiterer Unterschied von im Ausland wohnenden Klägern zu den im Inland wohnenden Klägern sind die nach § 115 ZPO zu berücksichtigenden Freibeträge, die in Abhängigkeit von den tatsächlichen Wohnsitzverhältnisses angewendet werden. Denn die Beträge in § 115 ZPO orientieren sich an den Lebenshaltungskosten und dem durchschnittlichen Existenzminimum in Deutschland. Wenn die Kosten der Lebenshaltung im Ausland jedoch erkennbar niedriger sind als in Deutschland,  würden durch die uneingeschränkte Anwendung der Beträge unangemessen hohe, tatsächlich nicht bestehende Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden, die zu einer ungerechtfertigten Besserstellung dieser Antragsteller im Vergleich zu den in Deutschland wohnhaften Antragstellern führen würde. Daher hat bei Anhaltspunkten, die auf eine erhebliche Abweichung der Wirtschafts- und Lebensverhältnisse von Wohnsitzstaat und Bewilligungsstaat schließen lassen, eine Anpassung dieser Beträge zu erfolgen, weil anderenfalls die uneingeschränkte Anwendung zu nicht mehr sachgerechten Ergebnissen führen würde.


Zwar kann es nicht im Sinn eines PKH-Verfahrens sein, bei jedem im Ausland wohnhaften Antragsteller eine individuelle Prüfung der Lebensverhältnisse vorzunehmen. Jedoch wird in der Rechtsprechung in der vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch Verwaltungsregelung vorgenommenen Ländergruppeneinteilung bei der Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen nach § 33a Abs.1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an im Ausland lebende Personen eine geeignete Grundlage gesehen für die Entscheidung, ob und inwieweit die Lebensverhältnisse des ausländischen Staates mit den Wirtschafts- und Lebensverhältnissen in Deutschland vergleichbar sind.


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